Dienstag, 7. April 2009

Warum das Mitarbeitergespräch nicht funktioniert


Das Mitarbeitergespräch ist ein etabliertes Instrument ambitionierter Personalabteilungen meist global agierender Unternehmen. Dem Mitarbeiter soll Gelegenheit gegeben werden, offen mit seinem Vorgesetzten über seine Arbeitssituation und seine Projekte zu sprechen. Genauso soll es Raum für Kritik in beide Richtungen geben. Unternehmensführungen nutzen dieses Tool der internen Unternehmenskommunikation jedoch eher als Legitimation dafür, dass sie die Mitarbeitermotivation aktiv betreiben, um sich keine Gedanken über andere - effektivere und funktionierende Wege - machen zu müssen oder vielleicht sogar zu wollen.

Denn seien wir mal ehrlich: Was bewirkt dieses Gespräch eigentlich letztendlich? Erfüllt es seinen Zweck und steigert die Motivation des Mitarbeiters? Wie könnte dessen Motivation in einem solchen Gespräch erhöht werden? Ist das besagte offene Gespräch innerhalb dieser Konstellation - Mitarbeiter / Vorgesetzter - nach dem gewünschten Vorsatz überhaupt möglich?
Was ist in einem Mitarbeitergespräch wirklich möglich und welchen Zweck erfüllt es tatsächlich innerhalb der allgemeinen Anwendung in deutschen Unternehmen und Organisationen?
 
Wie der Name "Mitarbeitergespräch" schon vermuten lässt, sollte in diesem 4-Augen-Dialog der Mitarbeiter im Mittelpunkt stehen. Demzufolge auch seine Situation am Arbeitsplatz, seine Fähigkeiten, Entwicklungsmöglichkeiten und Befindlichkeiten - nicht zuletzt in für ihn motivierender Form. Denn das Unternehmen möchte dieses Instrument der internen Kommunikation ja schließlich konstruktiv nutzen...

Ein Blick hinter die realen Kulissen deutscher Großarbeitgeber gibt jedoch den Blick auf eine abweichende Realität frei und lässt bei mir die Frage entstehen: 

Wem dient das Mitarbeitergespräch am meisten: dem Mitarbeiter?  
Oder vielmehr dem Vorgesetzten - nämlich dazu, sich einerseits regelmäßig den notwendigen Überblick über die Aufgaben und Leistungen seines Mitarbeiters veschaffen zu können sowie dazu - was meiner Ansicht noch fataler ist -  diese 4-Augen-Gelegenheit zu nutzen, um eindringliche Forderungen nach erweiterter Aufgabenbewältigung in weniger Zeit zu stellen im Kombination mit sich stets verkürzenden Zeitrahmen zur Bewältigung der Aufgaben. 

Untermauert werden diese Zielvereinbarungen - die eigentlich keine Vereinbarungen sind, da sie einseitig festgelegt werden - durch vereinzelte Kritiken seitens des Vorgesetzten, so dass der Mitarbeiter am Ende das Gefühl hat, wenig geleistet zu haben und sein Pensum erhöhen zu müssen - parallel zu den Bergen der immernoch unvollendeten Projekte... 

Hinzu kommt die Tatsache, dass so mancher Vorgesetzter den Ansatz der Beidseitigkeit übersieht, vergisst, verdrängt? In einem "offenen Gespräch zwischen Vorgesetzten und Mitarbeiter" soll Gelegenheit zu beidseitiger Kritik und Anregung gegeben werden. 

Wieviele Vorgesetzte kennen Sie, die 1. Kritik fähig sind und 2. sich aufrichtig Anregungen von Untergebenen geben lassen möchten? Hier besteht sicher ein Mangel auf dem Arbeitsmarkt... Somit mutiert das sicher gut gemeinte Tool des Mitarbeitergesprächs schnell in ein einseitiges "den Mitarbeiter in die Zange nehmen". Denn es hört ja niemand mit... 


Gehen wir an dieser Stelle nocheinmal kurz auf den Ursprung des Mitarbeitergesprächs zurück und konzentrieren uns auf den anvisierten Sinn und Zweck dieses Instruments - die Motivation des Mitarbeiters! Wir stellen sicher eine flächendeckende Missinterpretation oder gar Fehlnutzung dieser Maßnahme der internen Kommunikation fest.

Richtig: Der Mitarbeiter soll motiviert werden. Ein Ansatz den das Unternehmen tunlichst verfolgen sollte, denn seine Mitarbeiter sind sein größtes Kapital! Seine motivierten Mitarbeiter sind sein noch größeres Kapital! Hier müssen wir uns vielleicht fragen, was Motivation bedeutet bzw. ob Motivation in Führungsetagen nicht vielmehr mit der simplen Erhöhung der zu leistenden Arbeit für den Einzelnen bei gleichbleibendem Gehalt verwechselt wird.

Wir könnten aber auch wohlwollend annehmen, dass diese Unternehmensperspektivische Definition von Motivation durch der Ansicht vertreten wird, die Steigerung des Arbeitspensums würde das Selbstbewusstsein seines Mitarbeiters steigern und seine Motivation nachhaltig sicherstellen.

Zugestehen muss ich natürlich, dass ein erhöhtes Vertrauen des Vorgesetzten in die Fähigkeit seines Mitarbeiters diesen bestimmt eine Weile trägt - des Mitarbeiters Nervenkostüm bestimmt die Länge dieser Weile. Denn wie es die deutsche Kultur so inne zu haben scheint, bleibt positives Feedback aus. Ein gut angesehener Mitarbeiter darf sich sogar dann als solchen fühlen, wenn er keine heftige Kritik durch seinen Vorgesetzten erfährt! Lob ist ein Ladenhüter im deutschen Wortschatz. Somit lässt die fehlende konstruktive Förderung durch den Vorgesetzten diese "tragende" Stimmungsblase schnell zerplatzen. Stress und Demotivation treten rasch an ihre Stelle. 

Seien wir realistisch: Stress geplagte Mitarbeiter sollen mit Stress geplagten oder Stress verursachenden Vorgesetzten ein konstruktives offenes Gespräch zu ihrer eigenen Motivation führen. In einer solchen Situation kann kein wirklich gewinnbringendes Gespräch zustande kommen. Der Grund liegt auf der Hand: der Mitarbeiter traut sich kaum oder garnicht zu einer wirklich offenen Äußerung. Wie kann er dann noch auf die Idee kommen, konstruktive Ideen platzieren oder gar Kritik üben zu dürfen - beides legitime Elemente eines idealen Mitarbeitergesprächses? 

Nicht zu vergessen ist dabei: Wie kann ein Mitarbeiter - der sich in der Rolle des Untergebenen befindet und von seinem Gesprächspartner abhängig ist, weil dieser die Rolle seines Vorgesetzten innehat und über die Existenz seines Arbeitsplatzes entscheiden kann - realistisch der Meinung sein, ihm für Raum für offene Äußerungen gegeben?

Ein Raum in dem das ehrliche Mitarbeitergespräch erst beginnen sollte. Dann erst kann auf faire Weise analysiert, entwickelt und erarbeitet werden, welche Veränderungen am Arbeitsplatz des Mitarbeiters notwendig und sinnvoll sind, um ihn in die Lage von verbesserter Durchführbarkeit ergo erhöhter Produktivität ergo gesteigerte Motivation zu versetzen!

Doch die meistgenutze Anwendung des Mitarbeitergespräch ist derzeit nicht die konstruktive Maßnahme zur Mitarbeitermotivation, sondern offensichtlich leider die destruktive Maßnahme zur Druckerhöhung.

Mit seinem ursprünglich noblen Anspruch kann das Mitarbeitergespräch als Tool zur Mitarbeitermotivation so nicht funktionieren!